„Der Geist, der aus der Flasche kam…Über toxikologische Bedenken bei der klinischen Anwendung von Lavendelöl”

Referent: Mag. pharm. Heinrich Justin Evanzin

Seit einem Fallbericht von Henley et al. 2007 wird immer wieder über eine östrogenartige Wirkung von Lavendelöl-Produkten berichtet. In einem Fallbericht von Ramsey et al. wurde dieser Verdacht 2019 wieder aufgebracht. Bei der beschriebenen Wirkung handelt es sich durchwegs um präpubertäre Gynäkomastie bei Kindern. Das Arzneimitteltelegramm hat im Jänner 2020 die Problematik wieder aufgegriffen und in Reaktion auf einen Leserbrief eines Apothekers noch einmal an die sogenannten Gefahren der Anwendung von Lavendelöl erinnert. Dabei stellt das Arzneimitteltelegram auch die These auf, dass Lavendelöl mit der Entstehung von Brustkrebs in Zusammenhang steht und somit für Patient mit Östrogenrezeptor-positiven Tumoren sehr gefährlich sei. Aus aromatherapeutischer Sicht ist diese grundsätzlich ablehnende Haltung sehr in Frage zu stellen, da sich die Begründung dieser Verdachtsmomente nur aus Einzelfällen zusammensetzt und zudem ein nicht prospektives Studien­design heranzieht. Ob es sich bei diesen beschriebenen Risiken also um eine echte Korrelation zwischen Lavendelöl-Anwendung und negativem Effekt handelt, kann letzten Endes nicht eindeutig nachvollzogen werden. Zwar konnten in vitro Experimente einen hormonartigen Effekt nachweisen, doch ist die dabei eingesetzte Dosierung nicht mit der inhalativen oder transkutanen Aufnahme der in den Fallberichten beschriebenen Lavendelduft-Produkte zu vergleichen. Außerdem sind die so­genannten Lavendel-Produkte lediglich kosmetische Produkte, welche nicht zwangsläufig natürliches Lavendelöl enthalten. Zudem sind die Opfer der Fallberichte nicht jene Zielgruppe, bei der Lavendelöl gerne eingesetzt wird. So wird Lavendelöl sehr gerne bei der Vorbereitung der Haut auf die Strahlen­therapie bei Frauen mit Brustkrebs genutzt (Bühlmann, 2016). Dabei wird die schmerzstillende Wirkung des Lavendelöls geschätzt. Von besonderer Bedeutung bei dieser Thematik ist auch der Umstand, dass es ein standardisiertes Lavendelöl-Produkt zur peroralen Einnahme gibt, dessen Studiendaten keine Hinweise auf östrogene Eigenschaften bieten.

Mag. pharm. Heinrich Justin Evanzin

Heinrich Justin Evanzin ist Pharmazeut und approbierter Apotheker. Schon während seines Pharmaziestudiums an der Universität Wien hat sich speziell für die Pharmakognosie und Phytochemie von Arzneipflanzen interessiert. 

Nach seiner Approbation als Apotheker begann er 2017 mit dem Medizinstudium an der Medizinischen Universität Wien, in dem er seine pharmazeutischen Kenntnisse um die ärztliche Heilkunst erweitern konnte. 

Er ist Mitglied zahlreicher wissenschaftlicher Gesellschaften, die sich mit Arznei-pflanzen, Phytotherapie, Aromatherapie, Akupunktur und TCM, Allgemein- und Familienmedizin sowie der Geschichte der Pharmazie beschäftigen. 

Mag. Evanzin absolviert derzeit sein Klinisch-Praktisches-Jahr und ist immer wieder als Apotheker in Wien und Niederösterreich anzutreffen.